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Der Hartz-IV-Regelsatz wird neu berechnet, aber kaum erhöht. Die Sätze für Kinder und Jugendliche sollen beibehalten werden. Dabei sollte die Neuberechnung vor allem deren Bedürfnissen entsprechen, so das höchstrichterliche Urteil aus Karlsruhe. tagesschau.de hat die wichtigsten Änderungen zusammengefasst.
Rund 4,8 Millionen Menschen bekommen die sogenannte Grundsicherung für Arbeitssuchende, das Arbeitslosengeld II, das umgangssprachlich auch Hartz IV genannt wird. Etwa die Hälfte der Empfänger ist auch arbeitslos gemeldet. Die andere Hälfte erhält Leistungen, ohne arbeitslos zu sein. Zum Beispiel verdienen etwa 250.000 Hartz-IV-Bezieher mehr als 400 Euro, müssen aber ihren Lebensunterhalt weiter aufstocken. Weitere 250.000 absolvieren Maßnahmen zur Qualifizierung. Alle anderen sind zwar theoretisch in der Lage zu arbeiten, stehen aber dem Arbeitsmarkt nicht zu Verfügung. Sie sind krank, betreuen kleine Kinder, pflegen Angehörige oder gehen zur Schule.
Des Weiteren leben auch 1,8 Millionen Kinder von Hartz IV. Die meisten von ihnen sind jünger als 15 Jahre. Wer älter ist als 65 Jahre, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Das gilt auch für Menschen, die nicht erwerbsfähig sind, also auf absehbare Zeit nicht länger als drei Stunden pro Tag arbeiten können.
Im Februar 2010 bezeichnete das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Berechnungen als intransparent und willkürlich. Der damalige Präsident des Gerichtes, Hans-Jürgen Papier, fand bei der Verkündung des Urteils klare Worte: Die Regelleistungen genügen dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht. Die einschlägigen Regelungen sind daher verfassungswidrig.
Bei Kindern, vor allem bei Schulkindern, müssten sich die Regelsätze an deren speziellen Bedürfnissen orientieren. Könnten sie Bücher, Hefte oder einen Taschenrechner nicht bezahlen, drohe der Ausschluss von Lebenschancen. Es bestehe die Gefahr, dass sie später nicht in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Dies sei mit dem Prinzip des Sozialstaates nicht vereinbar. Konkret heißt es dazu: Kinder sind keine Erwachsenen.
Bisher liegt der Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende bei 359 Euro. Steigen soll er um fünf Euro auf 364 Euro. Die Sätze für Kinder werden beibehalten und liegen zwischen 215 und 287 Euro. Obwohl die Summe gleich bleibt, ändert sich deren Herleitung. Bisher wird der Satz für ein Kind prozentual und pauschal von dem eines Erwachsenen heraus gerechnet. Zwischen 14 und 18 Jahren erhält ein Kind 80 Prozent des Regelsatzes. Kinder jünger als 14 Jahre erhalten 70 Prozent und Kinder jünger als sechs Jahre 60 Prozent.
Die Überprüfung des Arbeitsministeriums im Rahmen der Neuberechnung dagegen berücksichtigte die besonderen Bedürfnisse von Kindern. Sie ergab aber, dass die aktuellen Sätze für Kinder und Jugendliche eigentlich um ein bis zwölf Euro zu hoch sind. Arbeitsministerin von der Leyen zeigte sich überrascht: Das hat mich selbst auch sprachlos gemacht. Sie wolle aber einen Vertrauensschutz durchsetzen. Die Leistungen würden dann nicht direkt gekürzt, spätere Erhöhungen aber verrechnet.
Grundlage für die Berechnung des Hartz-IV-Regelsatzes ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Die Stichprobe wird alle fünf Jahre erhoben. Gefragt wird in rund 60.000 Haushalten nach den Einnahmen und Ausgaben, nach dem Eigentum und nach der Wohnsituation. Die Zahlen, die jetzt für die Neuberechnung herangezogen wurden, stammen aus dem Jahr 2008.
Daraus ergeben sich die Ausgaben eines Muster-Einpersonenhaushaltes in verschiedenen Kategorien wie Nahrungsmittel, Bekleidung und Haushaltsgegenstände. Das Arbeitsministerium legt fest, welche Kategorien zu welchen Anteilen berücksichtigt werden. Streichen will Ursula von der Leyen die Anteile für Alkohol und Tabak. Neu in der Berechnung sind die Kosten für Internetzugang und Praxisgebühr. Während bisher der Regelsatz an die Entwicklung von Einkommen und Renten gekoppelt war, soll er sich zukünftig an der Entwicklung von Löhnen und Preisen orientieren. Die Anpassung erfolgt jährlich.
Statt mehr Regelsatz setzt Arbeitsministerin von der Leyen auf ein Bildungspaket. Darin enthalten ist zunächst ein Rechtsanspruch auf Teilhabe und Bildungsförderung. Schulkinder bekommen auf Antrag und nach Nachweis Geld für Lernförderung. Anschaffungen wie Schulranzen, Taschenrechner und Zirkel werden finanziert. Gutscheine garantieren die Teilnahme an eintägigen Ausflügen auch für Kindergartenkinder. Hilfsbedürftige Kinder, die in der Kita oder der Schule Mittag essen, sollen einen Essenszuschuss erhalten. Mittelfristig plant von der Leyen die Einführung einer elektronischen Bildungskarte, mit der die Elemente des Bildungspaketes bezahlt werden können.
Wann die neuen Regelsätze tatsächlich eingeführt werden können, ist fraglich. Nachdem die Regierung entschieden hat, ist nun der Bundestag am Zug. Auch der Bundesrat muss einer Erhöhung, auch einer um nur fünf Euro, zustimmen. Im Bundesrat aber hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition keine Mehrheit. Damit das Gesetz zum Jahreswechsel in Kraft treten kann, müsste die Länderkammer spätestens in ihrer Sitzung am 17. Dezember darüber entscheiden. Wenn aber der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen wird, ist eine Verabschiedung frühestens Ende Januar möglich.
Zusammenstellung: Ute Welty, tagesschau.de